Eder_kleinÖsterreichs Industriechef Wolfgang Eder vermisst deutsche Führungskraft, foto mb

„Sofern wir jetzt nicht einen positiven Schub in die Europäische Union hineinbringen, wird es in vier Jahren vorbei sein mit der EU.“ Solch flammenden Appell erteilt Wolfgang Eder vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung Düsseldorf. Die Bundesliga Aktien horcht auf.

Wolfgang Eder ist Industrieller aus Linz an der Donau. Eder ist Chef des Technologiekonzerns Voestalpine AG, u.a. eines Konkurrenten von Thyssenkrupp, derzeit Letzter in der Tabelle der Bundesliga Aktien mit 16 Prozent Minus seit Jahresbeginn 2019. www.http://index.finanztreff.de/indizes_einzelwerte.htn?i=159096. In Düsseldorf ist der weltweit aufgestellte Milliarden-Konzern Voestalpine (VA) mit Böhler-Uddeholm präsent. Böhler ist Hightech-Zentrum für 3D-Drucker und Druckteile aus Titanpulver aus konzerneigener Herstellung in Schweden.

Was VA-Chef und Mitaktionär Eder (67) massiv negativ bewegt, ist – neben der aktuell allgemein schrumpfenden Nachfrage nach Industrieprodukten – die fehlende Phalanx der europäischen Industrie und Politik im weltweiten Wettstreit mit den anderen Wirtschaftsblöcken USA und China. „Gegen die Phalanx von Silicon Valley bis Singapur treten die Europäer regelmäßig vielstimmig verzagt auf“, so beobachtet es der Elder Businessman Eder. Fast scheint es, die berüchtigte „German Angst“ hätte auf Hightech-Europa übergegriffen; in eigentlich unbegründeter Weise. Zudem stünde die langjährige europäische Lokomotive Deutschland derzeit nicht unter Dampf, bedauert Eder sicher auch stellvertretend für Chefkollegen aus der Bundesliga Aktien, mit denen Eder in verschiedensten Branchenverbänden zusammenagiert.

Ende der Globalisierung

Dass der vielstimmige Chor europäischer Vertreter aus Wirtschaft und Politik das Ergebnis eines offenkundig unlösbaren konstitutionellen Widerspruchs der EU ist, soweit wollte Eder beim Treffen im Industrieclub in Düsseldorf nur inoffiziell gehen. Fakt ist: Angebliche EU-Partner agieren zunächst mal als Konkurrenten. Fakt ist ferner: Nationale Interessen haben regelmäßig Vorrang vor europäischen und globalen Interessen. An erster Stelle geht es um die Sicherung lokaler Arbeitsplätze und Wählerstimmen. Die Verhältnisse in Österreich machen insoweit keinen Unterschied zu den Umständen in Deutschland, in Frankreich und in anderen Ländern. CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier will zur Not sogar Unternehmen eher zu nationalen Champions verstaatlichen als deutsche Arbeitsplätze auf dem europäischen oder auf dem Weltmarkt zu opfern. Dass dies das Gegenteil der ansonsten immer noch viel beschworenen Globalisierung ist; diesen bösen Widerspruch nimmt der Minister billigend in Kauf.

Minister Altmaier ist genauso wie seine Kanzlerin darauf vereidigt, „seine Kraft dem Wohle des Deutschen Volkes zu widmen, den Nutzen des Deutschen Volkes zu mehren, Schaden von ihm abzuwenden sowie das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes zu wahren …“ Ähnliche Eidesformeln gelten in Österreich, in Frankreich, Italien und in anderen EU-Ländern: „Heimat first“, könnte man meinen. Hierin liegt der – selbst in mehr als 50 Jahren EWG und EU – nicht aufgelöste konstitutionelle Konflikt. Zum Ausdruck kommt er in fehlender europäischer Einigkeit und ausgeprägter europäischer Verzagtheit, wie Wolfgang Eder sie thematisiert.

„Heimat first“ statt EU-Einigkeit

Das deutsche Grundgesetz wünscht sich im Vorwort: … „das Deutsche Volk … als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa“. Der Begriff „Europa“ kommt dann noch in Artikel 23 vor: „Zur Verwirklichung eines vereinten Europas … kann der Bund … Hoheitsrechte übertragen“ z.B. auf zwischenstaatliche Sicherheitssysteme (Art. 24). Inwieweit in den anderen EU-Ländern ähnliche Vorgaben bestehen, wäre noch zu prüfen. Die tägliche Praxis sieht derzeit eher so aus wie „Heimat first“: Möglichst viel aus europäischen Gemeinschaftskassen abziehen. Möglichst wenig in europäische Kassen einzahlen!

In der Praxis sieht das in etwa so aus: Mit nationalstaatlichen und europäiscen Förder-Milliarden werden Arbeitsplätze von herkömmlichen Standorten in Nachbarstaaten abgezogen; z.B. nach Ungarn. Ungarn hat jedoch gar nicht so viele Arbeitskräfte, wie sie an den neuen Plätzen benötigt werden; die Folge: Tagtäglich werden Menschen stundenlang mit hunderten Bussen in Nachbarländern eingesammelt und durch die Gegend gedieselt; genauso wie jene Produktionsteile, die über vielfach höchst abenteuerliche Transportwege herangekarrt werden. Z.B. in Ungarn werden sie dann zu Fertigteilen zusammengeschraubt oder geschweißt. Diese Fertigteile werden dann wieder durch die Gegend gedieselt.

Bundesliga Aktien: Auftragsschund

Soweit die vielfältigen Logistikkosten – nicht zuletzt die Umweltkosten – angemessen bepreist würden, soweit wäre es mit dieserlei absurden Arbeitsteilungen und Standortwettbewerben vorbei. Das räumt Industrie- und Europastratege Wolfgang Eder freiweg ein: „Die Straßenmaut müsste vervielfacht werden“, stimmt Eder zu. Die Logistikwirtschaft würde – natürlich – Sturm laufen gegen solche Pläne. Für die Transportwirtschaft heißt es: „Logistik first!“ Arbeitsplätze an Lenkrädern oder in Luftfrachtflugzeugen dürfen nicht geopfert werden, egal wie die Folgen aussehen. Etwas abgeben, um z.B. die (Um)-Welt zu retten oder um Europa erstmal wirklich zu vereinen, das ist nicht „first“. Das ist – jenseits politischer Sonntagsreden – allenfalls „second“. Und jetzt geht es auch noch in China runter, wo es für Deutschlands  Daimler’s, BMW’s und Volkswagen sowie für deren Zulieferer wie etwa auch Voetsalpine um sehr viel geht. Für ein „Europa first“ gibt es unter diesen Umständen noch weniger Spielraum.