Papier_Schaur_kleinPapiermanager Schaur: Geld für Fabrikstillstand zur Rettung vor dem Stromstillstand, foto mb 

 

In 20 Jahren soll es keinen Kohlestrom mehr geben in Deutschland. Aber immer genug Strom. Schon jetzt wird es manchmal knapp im Stromnetz – wegen zu wenig Strom. Fabriken stehen dann freiwillig still, damit es nicht zum Blackout kommt. Die Fabriken bekommen sozusagen Kurzarbeitsgeld dafür. Am Ende können sogar Verbraucher Geld zurückbekommen – wegen hoher Strompreise.

Kürzlich ist Deutschland knapp an einem Strom-Blackout vorbeigeschrammt. Die Sonne kam an jenem 14. Dezember 2018 nicht durch. Obendrein hatte man die Wetterprognose nicht richtig verstanden. Plötzlich fehlte so viel Strom, wie zwei Atommeiler liefern. Die Kettenreaktionen in den Atommeilen liefen an diesem grauen Schneematsch-Freitag störungsfrei mit voller Power. Was fehlte waren Kohlestrom und Solarstrom.

Wenn 2022 der letzte deutsche Atommeiler abgeschaltet sein wird, und wenn nach und nach die Kohlekraftwerke kalt bleiben, dann werden Strommanager noch mehr gefordert sein als sie heute schon gefordert sind. Die Netzmanager sollen dafür sorgen, dass immer genug Strom aus den Steckdosen kommt. Dass zur Tagesschau-Zeit die Fernsehschirme schwarz bleiben, oder dass z.B. Radaranlagen der Flugüberwachung nicht mehr senden können; das will niemand riskieren.

Versicherer verdienen am Strom

Die Finanzwelt gibt sich optimistisch: Anleger bezahlen steigende Kurse ausgerechnet für Aktien der Kohle- und Atomverstromer RWE und Uniper. Es gilt das Motto: Verdienen an der Klimarettung. Versicherer büßen nicht nur für Klimaschäden. Sie verdienen auch an der Klimarettung. Versicherer besitzen einen Großteil der Fernleitungen, die Strom von der Nordsee nach Süddeutschland befördern. Den Transport, das sogenannte Netzentgelt, bezahlen Stromkunden mit dem Strompreis indirekt an die Versicherer. Die Versicherer können damit sicherer zahlen, wenn z.B. Pumpen beim Blackout ausfallen und Wasserschäden entstehen. Die Versicherer können auch dann sicherer zahlen, wenn sie Lebens-Policen oder Renten auszahlen. Was Verbraucher und Rentner in diesem Fall wegen Einnahmen aus dem Stromtransport mehr bekommen, das ersetzt ein bisschen von jenem Schwund, den die Nullzins-Politik der Europäischen Zentralbank verursacht.

Versicherer zahlen für Stromausfall

Der elektrisch-finanzielle Geldstrom fließt noch weiter. An jenem trüben Dezember-Freitag schrillten in Stahl- und Aluminiumwerken die Alarmtelefone ebenso in Papierfabriken und wo immer in der Industrie viel Strom verbraucht wird. Zum Schutz vor dem Blackout verpflichten sich Großabnehmer im Alarmfall ihre Fabriken runter zu fahren. Natürlich gibt es dafür Ausfallgeld; sozusagen Kurzarbeitsgeld für die Industrie.

Mancher Fabrikchef ist vielleicht gar nicht so traurig über solche Notabschaltungen des Stroms; z.B. Hersteller von Zeitungs-Druckpapier. Zeitungspapier wird immer weniger gelesen. Die entsprechenden Fabriken können nicht mehr so viel herstellen wie sie technisch herstellen könnten. Notabschaltungen können dann sogar zum Glücksfall werden: Es gibt Geld für ohnehin nötigen Stillstand. Solch trickreicher Zusammenhang schimmert durch beim Besuch von Winfried Schaur in der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung in Düsseldorf. Manager Schaur ist Vorstand des finnischen Papierriesen UPM Kymmene und nebenbei Präsident des Verbands der Deutschen Papierfabriken. UPM betriebt in Deutschland mehrere Papierfabriken. Grundsätzlich befürchtet Schaur, dass Blackouts in der Stromversorgung früher oder später kaum mehr zu verhindern sein werden.

Schneckentempo beschleunigt Strompreise

Die verbreitete Furcht unter Industriemanagern hat ihre Ursache nicht nur im Ausstieg aus der Kohleverstromung. Bürgerinitiativen verzögern, verhindern und verteuern den Ausbau der Stromnetze. Der Netzausbau von der Megastromquelle Nordsee in den Süden der Industrierepublik vollzieht sich in wahrstem Schneckentempo: 2 Zentimeter in der Minute oder 0,0012 Stundenkilometer! Experten sagen, das sei viel zu langsam und am Ende viel zu teuer. Die Mehrkosten trägt der Verbraucher. Er zahlt höhere Strompreise. Und wenn es ganz schlimm kommt, bezahlt er sogar mit seinem Arbeitsplatz.