FFM-kleinDas Foto täuscht: In Wahrheit ist die heile Aktienwelt jedoch eine herbe Täuschung, foto mb

Wir waren Pabst. Wir waren Fußballweltmeister. Wir sind Exportweltmeister. Deutschland zählt 23 Mio. Katholiken. Deutsche Fußballvereine zählen 7 Mio. Mitglieder. Aber nur 5 Mio. Deutsche haben Aktien. Warum das so ist, dafür sind die jüngsten Ereignisse in der Bundesliga Aktien bezeichnend.

Normaler Weise steigen oder fallen Aktienkurse mal um ein halbes Prozent pro Tag. Manchmal geht es um anderthalb Prozent rauf oder runter. Das sind dann hektische Tage. Dass aber eine der 30 wichtigsten deutschen Aktien an drei Tagen von 160 auf 100 Euro im Kurs sinkt, das bestärkt Skeptiker. Bei solchen Entwicklungen will niemand dabei sein. Dieser Absturz wirkt noch abschreckender, wenn es sich – wie geschehen – um die Aktie eines höchst gesunden Unternehmens handelt, das zudem für die gelegentlich als rückständig belächelte Digitalkompetenz Deutschlands steht. Die bankmäßig lizensierte Wirecard AG ist dieses Unternehmen. Die Zentrale hat eine ambitionierte Adresse: Einsteinstein-Ring in Aschheim bei München. Die Aktie dieses internationalen Zahlungsdienstleisters zählt neben Weltmarktgrößen wie z.B. Siemens, Daimler oder Bayer/Leverkusen zu jenen 30 Aktien, aus deren Kursen sich der Deutsche Aktienindex DAX errechnet. Das ist die Bundesliga Aktien.

Börsenpraktiken bestärken Skeptiker

Fast 40 Prozent Minus in drei Tagen sind mit einer Milliarden-Firma wie Wirecard nur möglich, wenn Wirecard-Aktionäre plötzlich Millionen Aktien zum Verkauf geben, ohne Mindestpreise, sog. Limits, festzulegen, die sie auf jeden Fall erzielen wollen. Bestimmte Börsenspezialisten sind nach den Handelsregeln gezwungen, immer Kurse zu stellen, zu denen sie Aktien ankaufen. Wirecard-Konkurrent Deutsche Bank hat 2018 fast ein ganzes Jahr „gebraucht“, um den Aktienkurs um so viel tiefer zu sehen wie Wirecard in drei Tagen. Und es ist nicht erkennbar, dass „investmentbankige“ Aktienstrategen der Deutschen Bank jetzt die Gunst der Stunde nutzen würden, um mit der Übernahme von Wirecard in eine bessere Bankzukunft zu starten.

Machenschaften von Fondsverwaltern

Automatische Handelssysteme, also die berüchtigten „Bots“ (Roboter-Computer), können Kursstürze noch verstärken, sobald sie definierte Handelssignale empfangen oder sogar selbst auslösen. Obendrein leihen Spekulanten sich Aktien „im Markt“, um sie dann „auf den Markt zu werfen“ – zu erhofft sinkenden Kursen. Später kaufen diese Spekulanten die Aktien zu gesunkenen Kursen wieder zurück, um sie an den Verleiher zurückzugeben.

Verleiher von Aktien, das sind oft Fonds, z.B. sog. ETF. Sie halten das Geld fremder Leute, nämlich ihrer angeblich königlichen Kunden, immer z.B. in Aktien genau jener 30 Unternehmen, aus deren Kursen sich der DAX-Index errechnet, also z.B. auch in Wirecard-Aktien. Wie hoch oder wie tief die Kurse dieser Aktien stehen, das ist den Managern solcher Fonds oder den Bots, die auf das Managment programmiert sind, zunächst mal egal. Und weil verliehene Aktien wieder zurückkommen, gelten sie nominell weiter als „im Fondsbestand“ gehalten.

Fondsvermittler schulden Aufklärung

Manche Verwalter dürfen sich entsprechend den Statuten der ihnen anvertrauten Fonds sogar Extrageld abziehen – von jenen Prozenten, die sie für das Verleihen von  Aktien ihrer Kunden kassieren. Soweit Kunden die Details der Statuten ihrer Fonds kennen würden und soweit sie die Folgen solcher Verleih-Aktionen verstehen würden, soweit würden sie wahrscheinlich sofort alles Geld aus diesen Fonds abziehen.

Es wird ggfs. noch gerichtlich zu klären sein, ob Vermittler solcher verleihfähigen Fonds nachweisen müssen, wie genau sie die Anleger vor dem Erwerb der Anteile über solche hinterhältigen Möglichkeiten aufgeklärt haben. Das sind im Übrigen genau jene Vermittler, denen die Anleger für diese Vermittlungen auch noch stattliche Gelder bezahlen; Gelder die fälschlicher Weise oft als Gebühren bezeichnet werden.

Bundesliga Aktien: Ausländer kaufen auf

Es wird ferner zu klären sein, ob Fondsverwalter und Vermittler nicht für Fehlinformationen haften, die sie Anlegern mit der angeblich heilen Welt steigender Indexwerte vorgaukeln. Diese Gaukel-Werte können Anleger in der Realität niemals erzielen. In Wahrheit ist der Deutsche Aktienindex DAX nicht von 8.000 Punkten im Jahr 2000 auf etwas jetzt mehr als 11.000 Punkte gestiegen. In Wahrheit ist der richtige DAX von 6.000 Punkten im Jahr 2000 auf zuletzt kaum mehr als 5.000 Punkte gesunken.

Anleger erleben den selbst im deutschen Staatsfernsehen propagierten Gaukel-Anstieg des DAX nicht in ihren Depots. Und auch nicht in ihren Fondsanlagen. Logisch, dass deshalb kaum ein Deutscher Aktien haben will. Seit Jahrzehnten schon sind es ausländische Anleger, die regelmäßig deutsche Aktien kaufen. Die meisten Aktien deutscher Spitzenunternehmen befinden sich heute im Eigentum ausländischer Pensionskassen und Investmentfonds wie z.B. Blackrock oder Fidelity. Die Deutschen verkaufen sich selbst. In der Bundesliga Aktien ist es fast wie in der Bundesliga Fußball: In mehr als der Hälfte der Fußball-Mannschaften hat die Mehrheit der Mannschaft keinen deutschen Pass.