Die klassischen Symbole vor der Frankfurter Börse – und drinnen die Zauber-Welt der ETF; foto mb

Im ersten Halbjahr 2021 haben Sparer und Anleger so viel in ETF eingezahlt – damit hätten sie z.B. fast die halbe Deutsche Bank oder sogar mehr als die Hälfte des Wohnungsriesen Vonovia kaufen können. Das zeigen Hochrechnungen. Die meisten Anleger wissen jedoch nicht, auf welche absurden Nebenwirkungen sie sich bei vielen ETF einlassen.

Die Formel ETF steht für Exchange Traded Funds; also für Fonds, deren Anteile Anleger an der Börse kaufen – mit den dort üblichen, meist geringen Nebenkosten und ohne die traditionell hohen „Ausgabegebühren“ für „normale“, sog. klassische Fonds. Wenn Anleger allerdings ETF verkaufen wollen, müssen sie sich letztlich an der Börse Käufer suchen; zu welchem Kurs auch immer. Ist die Börsenstimmung dann schlecht, kann der Kurs, den Käufer dann zu zahlen bereit sind, unter dem echten, dem inneren Wert der Anteile liegen. Diese Nebenwirkung ist anders als die Regel klassischer Fonds: Deren Verwalter sind gesetzlich gezwungen Anteile zum errechneten Rücknahmepreis zurückzukaufen.

ETF: am Anfang eine Niederlage

Am Anfang des aktuellen ETF-Siegeszugs steht eine Niederlage: Weil klassische Fonds nur selten ihre Klasse nachweisen konnten, sprich weil sie nur selten nachhaltig gute Wertentwicklungen erreichen konnten, haben immer mehr Fondsverwalter aufgegeben: Sie wechselten vom klassischen aktiven Verwaltermodus in den sog. passiven ETF-Modus. Das macht die Sache allerdings kaum besser: ETF suchen nicht jeweils die am meisten versprechenden Aktien oder Anleihen für ihre Anlagen heraus, so wie etwa die Verwalter-Legenden Warren Buffet oder Peter Lynch. ETF legen von vornherein fest, dass sie das Geld ihrer Kunden immer genau in jene Aktien stecken, aus deren Kursen und Dividenden z.B. der Deutsche Aktienindex DAX errechnet wird; ganz gleich, ob z.B. die Skandal-AG Wirecard zu diesen sog. DAX-Konzernen zählte oder etwa die Deutsche Bank. Deren Aktienkurs ist in zehn Jahren von knapp 100 auf zeitweilig nur noch knapp 10 € gefallen. Auf diese systematische  Vermgensvernichtung weist kein ETF-Prospekt hin: ETF sind Durchschnitt nicht Spitze.

Absurde Nebenwirkungen

Die Nachbildung des DAX mit den Anlagen der jeweiligen ETF fordert selbst passive Fondsmanager heraus: Jede 100 €, die Anleger neu einzahlen, müssen auf jene 30 Aktien verteilt werden, aus deren Kursen der Computer der Deutsche Börse AG sekundengenau den DAX ausrechnet. Die Verteilung erfolgt jedoch nicht gleichmäßig mit jeweils 3,33 € der eingezahlten beispielhaften 100 €; unabhängig davon, dass es für 3,33 € nicht eine einzige DAX-Aktie zu kaufen gibt. Die Verteilung der Einzahlungen muss vielmehr nach den unterschiedlichen Gewichten erfolgen, mit denen die 30 Kurse in den DAX eingehen; also z.B. 9,20 € auf den Riesen Siemens, ferner 1,90 € auf den früheren Riesen Deutsche Bank und 2,60 € auf den vermeintlichen Riesen Vonovia. Diese absurde Aktivität der Passivität umgehen viele ETF-Manager, indem sie spezielle Schuldverschreibungen von Banken kaufen, z.B. von der Deutschen Bank, oder von der DZ Bank der Volksbanken oder z.B. auch von der Deka-Bank der Sparkassen. Diese Schuldverschreibungen sind keine Aktien. Beobachter halten diese Anlagepraxis für unzulässig, wenn ETF vorgeben Aktienfonds zu sein.

Angreifbare Anlagepraxis

Diese juristisch angreifbare Praxis wird auch nicht dadurch geheilt, dass sich der Wert der speziellen Schuldverschreibungen, der sog. Derivate, nicht nach einem Zins der Schuldverschreibung richtet sondern nach dem Kurswert einzelner oder aller DAX-Aktien. Auf das damit verbundene Risiko weisen ETF in ihren klein gedruckten Anlagebedingungen tatsächlich hin: dass nämlich Banken als Schuldner solcher Derivate-Schuldverschreibungen grundsätzlich mal nicht in der Lage sein könnten zahlen zu können. Für Anleger in ETF ist das ein ganz anderes Risiko als wenn eine oder mehrere Aktien, die ihr ETF im Bestand hält, im Kurs fallen, weil die entsprechenden Aktiengesellschaften schlechte Geschäfte machen.

Kartenhaus

Um die Risiken der Derivate-Schuldverschreibungen gering zu halten, bekommen ETF Sicherheiten von den Schuldner-Banken; meist handelt es sich dabei um Wertpapiere; z.B. um Bundesanleihen oder um Aktien. Diese Wertpapiere leihen sich die Schuldner-Banken – und zwar bei Fonds wie etwa ETF. Das sind oft Fonds, deren Verwaltungsgesellschaften in der Regel Tochtergesellschaften der Schuldner-Banken sind. Diese Tochtergesellschaften liefern ihre meist recht stattlichen Gewinne an diese Schuldner-Banken ab. Am Ende bestehen die Sicherheiten der ETF womöglich aus genau jenen Wertpapieren, die sie an Schuldverschreibungs-Banken verliehen haben. Im normalen Leben würde man so etwas „Kartenhaus“ nennen.

Genehmigte Enteignung

Viele Fonds, gerade auch ETF, lassen sich in den klein gedruckten Anlagebedingungen die Erlaubnis geben, Aktien oder andere Wertpapiere aus dem Eigentum der Fonds zu verleihen, sprich aus dem Eigentum der Fonds-Anleger; ganz gleich, was Entleiher mit den entliehenen Papieren machen. Damit nicht genug: Die Fondsverwalter nehmen ihren Kunden, sprich den Fonds-Anlegern, auch noch große Teile der Einnahmen aus Leihgebühren weg und behalten sie für die Kasse der Fondsverwaltungsgesellschaften und der dahinter stehen Banken und Sparkassen. Wie genehmigte Enteignungen wirkt das. Die Nebenwirkungen der angeblichen „Zauberformel ETF“ erreichen damit geradezu absurde Ausmaße: Anleger zahlen treugläubig in Aktien-ETF ein. Anstatt Aktien zu kaufen, kaufen Fondsverwalter Derivate-Schuldverschreibungen. Die entsprechenden Schuldner-Banken verwenden das Geld letztlich, um sich abzusichern -und zwar gegen die Gefahr, dass die Schuldner-Banken für diese Derivate-Schuldverschreibungen zahlen müssen, weil Aktienkurse – wie auch immer – gestiegen sind. Dass die Kurse der DAX-Aktien unter diesen Umständen nicht wirklich steigen können, das kann niemanden überraschen.

MDAX verfünffacht

Tatsächlich sind die Kurse der DAX-Aktien in 21 Jahren seit dem Frühjahr 2000 bis zum Frühsommer 2021 nur um etwa 10 % gestiegen; ablesbar am DAX-Kursindex. Dass der populäre DAX sich im selben Zeitraum fast verdoppelt hat, liegt fast ausschließlich an der beschönigenden, international völlig unüblichen und im Übrigen realitätsfremden Berechnungsformel für diesen sog. Performance-Index. Die tatsächlich schlechte Entwicklung der DAX-Aktien hat offenkundig wenig mit Krisen und Kursstürzen zu tun sondern mit absurden Anlagepraktiken. Zum Vergleich: Die Aktien des MDAX, die wenig im Zentrum von Fonds- und Derivate-Strategien stehen, zeigen eine dynamische Entwicklung: Die Kurse haben sich seit dem Frühjahr 2000 verfünffacht. Das ist mehr als der ebenfalls dynamische Anstieg des Dow Jones. Die Dividenden der „MDAX-Firmen“ haben den Performance-MDAX sogar auf das Achtfache steigen lassen.

ETF Zauberformel

Beobachter kann die schlechte Entwicklung der angeblich führenden deutschen Aktien am Ende nicht überraschen: Solange ETF mit Anlageziel Aktien Kundengelder nicht verwenden um Aktien zu kaufen, solange können die Aktienkurse nicht so steigen wie sie steigen würden, wenn die Fondsverwalter tatsächlich Aktien kaufen würden und nicht Derivate-Schuldverschreibungen. Dass ETF es – bei allem faulen Zauber der Absurditäten sowie bei allen internen Kosten – mitunter dennoch schaffen, Anteilwerte einigermaßen im Gleichschritt mit dem populären DAX steigen zu lassen oder fallen zu sehen, das hat mit weiteren Praktiken gem. der ETF Zauberformel zu tun.