Die Deutschen haben faktisch keine Aktien. Also können sie keine Aktien verkaufen. Und doch fallen die Kurse. Die Kursschwankungen deutscher Aktien haben zugenommen; nicht nur in den jüngsten Wochen sondern schon seit Jahren. Innerhalb von Minuten steigen oder fallen sogar die Durchschnittskurse der 30 wichtigsten deutschen Aktien um abenteuerliche Prozentsätze. Und jeder fragt sich, wie ist das möglich? Wer kauft so viel? Wer verkauft so viel? Verändert sich die Wirtschafts- und Finanzlage dermaßen hektisch?

Ein Index für zwei Stunden

In den späten 1970er Jahren ging ich regelmäßig die wenigen Schritte über die Königsallee zur Düsseldorfer Börse. Das war damals der wichtigste Handelsplatz für deutsche Aktien; zwei Stunden pro Tag. Ich suchte mir an den Tafeln die Kurse der wichtigsten deutschen Aktien zusammen und rechnete damit den Commerzbank-Index aus – auf einer historischen Facit-Maschine.

Versicherungen versagen

Die Aktienkurse und der Index schwankten auch damals schon – allerdings um Promille, nicht um Prozente; und schon gar nicht um Prozente in wenigen Minuten. Es wurde nur ein Index pro Tag ausgerechnet. Es gab – gefühlt – mehr Aktiensparer als heute. Nur ganz wenige Optionsgeschäfte waren gerade erst wieder erlaubt worden. „Derivate“ sagt man heute dazu. Der erste Kurssturz seit 1929 passierte dann 1987. Angeblich hatten Aktienversicherungen mit komplizierten Optionskonstruktionen versagt. Seither 1987 hat es unzählige weitere Kursstürze gegeben.

Der Schwanz wackelt mit dem Hund

Es gibt unzählige Derivate. Da sind Ableitungen aus den Aktienkursen. Mit ganz wenig Geld kann man mit diesen Derivaten auf ganz große Bewegungen der eigentlichen Kurse setzen. Inzwischen hängen die Aktienkurse von den Derivaten ab, die eigentlich aus den Kursen abgeleitet werden. Das wissen Kenner: Der Schwanz wackelt sozusagen mit dem Hund. Sehr viele ursprüngliche Aktienanleger haben mit solchen Ableitungsgeschäften sehr viel Geld verloren. Jetzt kaufen sie auch keine Aktien mehr. Und wenn sie wüssten, wie Investmentfonds bei diesen Derivatgeschäften mitmischen, dann würden sie wahrscheinlich auch keine Fondsanteile mehr kaufen. Börse, wie es wirklich läuft! Mehr wissen?

von Martin Beier, vereidigter Sachverständiger für Wertpapieranlagen, Düsseldorf, 13.2.2016