Deutsche Post hat keine Ambitionen mit dem E-Scooter. Deutsche Sparer setzen auf Tesla, foto mb

Mit Bewunderung und auch mit Neid schauen deutsche Sparer und Anleger auf den  TeslaBoom: Der Wert aller Tesla-Aktien ist weit höher als die Werte von BMW, Daimler und VW zusammen. Noch krasser sieht es aus mit Amazon: Der Börsenwert des Versand-Marktplatzes ist höher als der Wert aller Konzerne, aus deren Aktienkursen der Deutsche Aktienindex DAX errechnet wird. Die Folgen sind gravierend: positiv.

Tesla boomt, e.GO pleite

Tesla, Amazon oder auch Apple, Alphabeth und andere dieser Big-Names sind bei Weitem keine Privatspielzeuge von wenigen Milliardären. Millionen amerikanische Sparer und Anleger – und auch Sparer und Fonds aus aller Welt – besitzen Aktien dieser US-Börsenhighflyer. In USA gibt es eine ganz breite Aktienkultur. Sie gründet nicht nur seit Jahrzehnten auf einem großzügigen und sehr populären Steuersparmodell für Arbeitnehmer. Sie gründet auch auf dem Umstand, dass Vorstände der Aktiengesellschaften jedes Jahr in den Hauptversammlungen der Aktionäre ihre Verträge neu verlängert bekommen wollen. Diese Verhältnisse sind total anders als in Deutschland. Hier hält das 1937 in Kraft gesetzte Aktiengesetz die Aktionäre möglichst weit weg vom Vorstand. Der heutzutage viel beschworene Aufsichtsrat ist in guten Zeiten überflüssig. In schlechten Zeiten ist er überfordert. Dieser Spruch ist Kult in Kennerkreisen.

Der Gründer der hoffnungsvollen E-Autofirma e.GO Mobile SE wurde z.B. gefragt, wann er mit seiner Firma dem Beispiel Tesla folgen werde; sprich, wann er e.GO an die Börse führen werde. Das Kürzel „SE“ steht für Europäische Aktiengesellschaft Societé Européenne. Es wäre also ein Leichtes gewesen, Multi-Millionen von Anlegern zu bekommen im Gegenzug für Aktien der „Deutschen Tesla“. Der Rest ist eine ebenso traurige wie typisch deutsche Geschichte: Der Gründer wolle nicht stundenlag in Jahreshauptversammlungen von lästigen Kleinaktionären befragt werden, räumte Professor Günther Schuh ein. Er hat e.GO aus der hoch angesehenen RWTH-Uni in Aachen ausgegründet. Kaum mehr als zwei Jahre später hat e.GO kein Geld mehr: Insolvenz. Und die Milliarden-schwere Deutsche Post AG sieht sich nicht in der Lage, die Dinge so zu organisieren, dass sich der Streetscooter, das erste Modell des Aachener Start-ups, durchsetzen konnte.

Populäres Steuersparmodell

Hoffnungsvoll und mit viel Geld hatte die Deutsche Post das Projekt Streetscooter übernommen. Sie hat Tausende dieser Lieferwagen im Einsatz. Und sie hat das Projekt abgeschrieben. 2020 macht die Post Schluss mit der Streetscooter-Produktion. Tesla baut derweil eine Giga-Fabrik in Brandenburg und bekommt Mega-Steuergeld dafür.

Für Deutschland als Industrie- und Autoland ist der Untergang des Streetscooters eine schlimme Erfahrung. Vertreter der deutschen Autoindustrie führen Aufsicht über die Deutschen Post AG und geben dort Rat als Aufsichtsräte. Künftig wird die Post wieder Lieferwagen bei Mercedes oder bei Iveco und den anderen Diesel-Adressen kaufen. Die Aktien von Daimler/Mercedes, von BMW und von VW vernichten seit langen Jahren Geld von Sparern und Anlegern. Das gilt auch, wenn diese Sparer und Anleger gar nicht direkt solche Aktien besitzen. Indirekt sind sie über Investmentfonds dabei. Deren Anteilwerte kriegen die Negativ-Entwicklungen der Autokonzerne zu spüren.

Desolate Verhältnisse

Die schlechten Aktienkurse von Daimler, BMW und VW werden in den Deutschen Aktienindex DAX eingerechnet. Weil z.B. der Kurs von Daimler 2020 nicht mal mehr so hoch steht wie in den 1990er Jahren und weil die anderen Kurse der deutschen Autoindustrie nicht viel weniger schlecht stehen; deshalb steht der DAX heute tiefer als im Jahr 2000, wenn man ihn sachgerecht ermittelt, so wie es international üblich ist. Die „Rheinische Post“ kommentiert, es gebe viele Gründe, um die Finger von Aktien zu lassen; gemeint sind deutsche Aktien.

Die deutsche Politik nimmt die desolaten Verhältnisse völlig unambitioniert hin. Die hoffnungsvolle schwäbische Bio-Firma Curevac N.V. – mit Steuersitz in den Niederlanden; N.V. = Naamloze Vennootschap – bekommt Hunderte deutsche Steuermillionen ins Forschungslabor gesteckt. Dann gibt sie Aktien zu sehr niedrigem Kurs nicht etwa an den Börsen Stuttgart und Frankfurt aus, sondern an der Nasdaq-Börse in New York. Die berühmte schwäbische Hausfrau und der „normale“, von Volksbanken und Sparkassen betreute deutsche Sparer und Steuerzahler kommt faktisch nicht an die Nasdaq.

Alle Welt kauft deutsche Aktien

Für Kenner der Materie sind die desolaten Verhältnisse ein weiterer Meilenstein für die Selbstaufgabe der Deutschen. Längst besitzen amerikanische, norwegische und Schweizer Sparer, Anleger, (Staats)-Fonds und Staatsbanken sowie chinesische (Staats)-Konzerne oder arabische Scheichs die Mehrzahl der Aktien der angeblich großen deutschen Aktiengesellschaften. Diese seit Jahrzehnten zitierten ausländischen Adressen kaufen weiter, was die Deutschen nicht haben wollen. Und sie kaufen mit gutem Grund: Wenn eine einzelne Firma wie z.B. Amazon, die kaum mehr hat als ihre Monopolstellung, momentan einen höheren Wert zugesprochen bekommt als die deutsche Industrie, dann wirkt dieses Wertverhältnis schief.

Sofern die US-Börse nicht lügt und sofern Amazon und die anderen Big-Names tatsächlich so viel wert sind, wie momentan mit den Mega-Aktienkursen dafür ausgerechnet wird, dann sind deutsche Aktien zu wenig wert; das gilt selbst unter Berücksichtigung der politischen, der industriellen und der finanziellen Ambitionslosigkeit der Deutschen. D.h: Wer NICHT die Finger von deutschen Aktien lässt, kann im Grundsatz kaum etwas falsch machen. Dies gilt zumal, wenn es den früher als „Heuschrecken“ verunglimpften internationalen Kapitalfirmen und Fonds gelingt, andere Verhältnisse in Deutschland durchzusetzen.