NRW-Finanzministerium: Zentrum des staatsfinanziellen Komplexes, foto mb
Als NRW-Finanzminister Lutz Lienenkämper zuletzt auf verweigerte Kundengelder der früheren Landesbank WestLB angesprochen wurde, da nahm der sonst so lebensfrohe Minister Reißaus. Der Christdemokrat macht mit „vertuschen, verzögern, verschwinden“ genau so weiter, wie sein sozialdemokratischer Vorgänger Norbert Walter-Borjans; gegen Gesetz, gegen Versprechen, gegen gute Sitten. Der WestLB-Skandal will kein Ende nehmen.
Die üblen Geschäfte der einst so ambitionierten Westdeutschen Landesbank (WestLB) kosten NRW-Steuerzahler heute noch jedes Jahr hohe Millionen-Summen. Unter „Portigon AG“ kämpfen immer noch mehr als 100 Leute mit den Hinterlassenschaften aus dem WestLB-Skandal. Für 100 Millionen Euro z.B., welche die WestLB im Jahr 2000 für angebliche Genussscheine zur Verfügung bekam, wird sie Ende 2019 voraussichtlich kaum mehr als 25 Millionen Euro zurückzahlen. Geschweige denn von 5 Prozent Zinsen, die jedes Jahr ausgelobt waren. Für Portigon und den Portigon-Eigentümer NRW ist das gut. Für Sparer und Versicherte ist das schlecht. Ihre Geldverwalter vertrauten auf die angeblichen Genussscheine. Jetzt herrscht Verdruss. Die Leistungen fallen niedriger aus als erwartet und niedriger als versprochen.
Der staatsfinanzielle Komplex
Die Betroffenen aus dem WestLB-Skandals können sich faktisch nicht wehren. Gerichtskräftige Fakten muss Portigon als die zu beklagende Partei nicht herausrücken; ganz gleich, was z.B. im Informationsfreiheitsgesetz steht. Das Landesarchiv NRW stellt seinen wohlklingenden Auftrag hinter die knallharte Räson des Dienstherren NRW: „Das Gedächtnis des Landes NRW dient“ – anders als versprochen – gerade nicht „den Bedürfnissen der Gesellschaft.“ Es sorgt auch nicht für „Transparenz des Verwaltungshandelns und [auch nicht für] Rechtssicherheit.“ Im Gegenteil.
NRW als Eigentümer von Portigon schiebt die unabdingbare grundgesetzliche Verantwortung gegenüber Bürgern und Wählern hinter das Einzelinteresse von Portigon. Für Minister Lienenkämper als aktuellem Verwalter steht das Landesvermögen höher alles Andere. Ansprüche geschädigter Bürger müssen offenkundig aus Sicht des christdemokratischen Ministers zurückstehen. Beobachter meinen, das sei eine besonders subtile Art christlicher Sozialisierung.
Brav fügt sich der gesamte staatsfinanzielle Komplex der Lienenkämper’schen Ablehnungs-Doktrin. Bevor das Landesarchiv NRW Aufzeichnungen freigibt, bittet der Geheimschutzbeauftragte Uwe Zuber um Erlaubnis beim Minister. Die Antwort ist klar. Abstruse 30 Jahre Geheimhaltungsfrist könnten im Zweifel auf 60 Jahre verlängert werden. Schaden für das Land müsse verhindert werden. Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes? Die sind hier angeblich nicht einschlägig. Selbst Justizminister Peter Biesenbach will sich letztlich nicht aus dem Parteiinteresse des Landes NRW lösen. Grundsätzlicher Rechtsschutz z.B. für die gebürtige Kölnerin Katja Baima? Fehlanzeige. Ministerpräsident Armin Laschet verweist freundlich an den Fachminister, an den lieben Parteifreund Lienenkämper. Mit später sogar widerrufenen Einwänden und perfiden Tricks hat es der staatsfinanzielle Komplex geschafft, die Kölnerin aus den Gerichtssälen zu vertreiben – zur gar nicht mal klammheimlichen Freude der Politik.
Unabhängige Justiz?
Staatsanwälte arbeiten bekanntlich grundsätzlich weisungsgebunden: Wenn das Finanzministerium Staatsanwälte anweist, nicht weiter zu ermitteln, dann ist Ende. So wie im Fall Baima. Von Steuerfahndern in Köln bekam Katja Baima vor Jahren die entscheidenden Belege ausgehändigt. Nach dem Geist der Kölner Fahnder sollte die Kölnerin damit an das Vermögen ihrer zwischenzeitlich verstorbenen Mutter kommen. Die Kölner Belege, das sind genau jene Papiere, die eindeutig den Verbleib des Vermögens der Mutter nachweisen; nämlich den Verbleib des Geldes in der WestLB und damit heute noch in Portigon.
WestLB-Mitarbeiter hatten damals in pflichtgemäßer Wahrnehmung der Interessen ihres Arbeitgebers ungefragt umfangreiche Gelder der vertrauensseligen Baima-Mutter umgeschichtet – u.a. in Inhaberschuldverschreibungen der WestLB. Die Gelder hat die WestLB dann einfach einbehalten. Heute noch stecken die Gelder in Portigon und damit im NRW-Landesvermögen. Schon Ex-Minister Walter-Borjans hatte sich vor den Abgeordneten des Landtags NRW indirekt nicht unzufrieden gezeigt mit diesem Vorgang.
Die von der Steuerfahndung herausgegebenen Papiere seien keine Belege der WestLB. So dreist haben die Kampf-Anwälte der Landesbank die Ansprüche der Erbin Katja Baima abgewiesen. Die Steuerfahnder hatten genau diese Belege ab 1996 in der WestLB-Zentrale in Düsseldorf beschlagnahmt. Sie fanden dort umfangreiche Beweise, wie ausgerechnet die ehrenwerte Landesbank massiv rechtswidrig agiert hatte. Die WestLB wurde zu hoher Geldstrafe verurteilt. Der verantwortliche damalige Direktor Hubert Beckmann schweigt natürlich. Aus der plötzlichen „Ost-Verschickung“ ist Beckmann wieder im Westen aufgetaucht. Heute freut er sich mutmaßlich über seine Pension als zwischenzeitlicher Chef von Portigon.
WestLB-Skandal: Weisung von oben
Als die Erbin Baima mit diesem Vorgang bei der Staatsanwaltschaft in Düsseldorf vorsprach, da geschah nichts. Bis sie unter der Hand den Hinweis bekam: „Weisung von oben.“ Mit allgemeinem Rechtsverständnis hat solches Verhalten scheinbar so viel zu tun, wie Praktiken in osteuropäischen oder in südamerikanischen Gesellschaften.
Am Rande sickert durch, wo vor NRW-Vermögensverweser Lienenkämper und seine Mitstreiter mutmaßlich so viel Angst haben: nicht etwa vor den 2 Millionen Euro, die Katja Baima aus dem WestLB-Nachlass beansprucht. Neben dem Konto der Baima-Mutter Lucie sind mehrere Hundert weitere Konten aus dem WestLB-Fundus nicht mehr aufgetaucht. Davor scheint Minister Lienenkämper wirklich Angst zu haben: Dass im Schatten einer möglchen Baima-Regelung plötzlich Hunderte Anspruchsteller quasi auf der Matte des Finanzministeriums in Düsseldorf stehen und Hunderte Millionen ausgezahlt haben wollen. Dann wird die Portigon-Abwicklung noch teurer als si ohnehin schon ist; freilich nicht für den Minister sondern für die Steuerzahler.