Lebens-Krise in Deutschland: Versicherungen auf das Erleben bringen nichts mehr; außer dem Versicherer. Renten haben ausgeriestert. Arbeitsrenten vom Staat sind bald so niedrig wie Nicht-Arbeitsrenten von der Sozialkasse. Willkommen in der Steinzeit. Mieten steigen weithin schneller als Löhne und Gehälter. Und jetzt kommt noch der ironische Rat der Weisen: Aktien kaufen!

30 % Plus sind 20 % Minus

Wenn Sparbücher und Anleihen nichts mehr bringen, dann müssen es eben Aktien bringen. So steht es in einschlägigen Zeitungen. Aktien seien schon immer besser gewesen als Anleihen. Im vielfach wenig wirtschaftswunderhaften Ausland seien Aktien schneller gestiegen als im wunderbaren Inland der Wirtschaftsrepublik Deutschland. Also muss es richtig sein, deutsche Aktien zu kaufen. Das ist allerdings zunächst mal unrichtig.

DAX-Cum-Cum-Index

Der Deutsche Aktienkursindex (WKN: 846744), also der „echte“ Index, steht Anfang Mai 2016 um fast 20 % tiefer als im Mai 2000. Den üblichen DAX-Performanceindex (WKN: 846900) berechnet der Börsencomputer derweil um fast 30 % höher als vor 16 Jahren. Diese Scheinrechnung ist möglich, weil der Börsencomputer seine besondere Art der Cum-Cum-Rechnung anstellt: Er unterstellt, Aktionäre würde Dividenden und obendrein sogar noch die automatisch einbehaltenen Steuern in zusätzliche Aktien des Dividendenzahlers investieren. Jeder weiß, dass das – zumal in Deutschland – eine völlig unrealistische Annahme ist. Dow Jones und andere Auslandsindizes rechnen nicht so wie der DAX-Performanceindex. Und stehen dennoch höher!

Die Mengenlehre der Fliegen

Deutsche Anleihen stehen freilich noch höher. Wer Anfang 2000 die 6,25 %-Bundesanleihe zum Ausgabekurs von 100 % gekauft hat, der freut sich jetzt über Kurse von mehr als 170 %; zusätzlich zu 16 Mal gezahlten hohen Zinsen (WKN: 113514). Und zusätzlich zur der Aussicht auf weitere 14 Mal solche Zinsen bis zum 4.1.2030. Anleihen sind also besser als Aktien!

Planmäßig Minus

Jetzt kommt das Kuriose: Anleihen sind nicht besser als Aktien! In den nächsten 14 Jahren wird die symbolhaft ausgewählte 6,25 %-Bundesanleihe2030 jedes Jahr durchschnittlich etwa 5 Prozentpunkte im Kurs verlieren, bis sie nur mit 100 % zurückgezahlt wird. Anleihen bringen jetzt nichts mehr. Und Aktien gibt es in Deutschland nur so wenige: Da reichen kleine Umschichtungen, um große Kurswirkungen auszulösen. Nach der Mengenlehre der Fliegen werden Aktien besser als Anleihen! So wie vor bald 30 Jahren in Japan: Seither haben die Kurse dort im Schnitt jedes Jahr verloren. Und Japan ist weit mehr verschuldet als Griechenland. Börse und Anlegen, wie es wirklich läuft. Mehr erfahren von Martin Beier, vereidigter Sachverständiger für Wertpapieranlagen, Düsseldorf, 3.5.2016.